Navigation auf uzh.ch
Während bei Männern halb so oft eine Depression diagnostiziert wird wie bei Frauen, findet man bei Männern höhere Raten von Alkohlkonsumstörungen («alcohol use disorders», AUDs) und Suizid. Daher wird angenommen, dass es ein männerspezifisches Depressionsbild gibt, welches mit AUDs und suizidalem Verhalten zusammenhängt. Verschiedene Mechanismen könnten diesem spezifischen männertypischen Symptombild zugrunde liegen.
Das Hormon Testosteron, welches als Endprodukt aus der Hypothalamus-Hypophysen-Gonaden-Achse (HHGA) entspringt, zeigte sich bisher als mutmasslichen Biomarker einer Depression. So zeigte sich, dass Männer mit einem Testosteronmangel (Hypogonadismus) eine höhere Wahrscheinlichkeit für die Entwicklung einer Depression aufweisen und Testosteronbehandlungen erzielten einen positiven Effekt auf die Stimmung bei Männern. Es gibt aber auch Studien, die keinen konsistenten Zusammenhang zwischen Stimmung und Testosteron bei Männern zeigen. Allerdings handelt es sich da um heterogene Populationen. Statistische Analysen zeigen, dass es sinnvoller ist, spezifische Subgruppen, welche ein tieferes Testosteronlevel aufweisen, zu betrachten, da bei diesen der Zusammenhang zwischen Testosteronlevel und Depression ausgeprägter ist.
Im Weiteren weisen depressiv erkrankte Personen eine dysregulierte Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinde-Achse (HHNA) auf. Cortisol, welches das Endprodukt der HHNA ist, tendiert dazu, bei depressiv erkrankten Personen signifikant erhöht zu sein. Bei der Betrachtung von Befunden zu Cortisol und Depression gilt es, wichtige Moderatoren zu betrachten, da die Methodik (z.B. Tageszeit der Cortisolmessung), der Depressionssubtyp und die Stichprobencharakteristiken (z.B. Alter, Symptomstärke) die Cortisolkonzentration beeinflussen können.
Andere neuroaktive Steroide wie Dehydroepiandrosteron (DHEA) und Östradiol werden ebenfalls mit dem Beginn und der Aufrechterhaltung von Depressionen in Zusammenhang gebracht. Sie könnten einen potentiell antidepressiven Effekt aufweisen, was sich in bisherigen Studien zeigte.
Der Konsum von Alkohol trägt zu einer Aktivierung der HHNA bei. Diese Aktivierung wird bei starkem Konsum chronisch. Zudem erfolgt ein Verlust des normalen Cortisolsekretionsmusters. Im Gegensatz dazu wird die HHGA gehemmt, was die Testosteronproduktion unterdrückt. Dies könnte dann wiederum zu einer depressiven Stimmung beitragen und zu den hohen Suizidraten führen, welche bei Männern mit Depression und komorbidem AUD beobachtet werden.
Genetische Faktoren determinieren die Steroidsekretion und -aktion, während Steroide die genetische Expression regulieren. Unterschiede in den DNA-Sequenzen führen zu individuellen Unterschieden. So zeigen sich Effekte von Polymorphismen (= Auftreten von einer oder mehrerer Variationen an einem definierten Genlocus), deren Interaktionen mit anderen Polymorphismen und das Steroidhormonlevel als relevant für spezifische Depressionsmuster, welche mit AUDs und suizidalem Verhalten in Zusammenhang stehen. Folgende genetische Faktoren werden in der Depressionsforschung mitunter untersucht:
Insgesamt führt der Einfluss der Gen-Umwelt-Interaktion zu endokrinen Veränderungen bei Depressionen und AUDs. So bewirkt das Anhängen von Methylgruppen an die DNA meist eine Inhibierung der Genexpression. In diesem Zusammenhang wurden diverse Methylierungsstudien bei den obenerwähnten Risikoallelen durchgeführt. Die Untersuchung weiterer genetischer Varianten und epigenetischer Profile ist hochinteressant, um relevante Veränderungen, die dem Zusammenhang zwischen Depression, AUD und Suizid bei Männern zugrunde liegen, weiter zu erfassen.
Die bisherige Studienlage deutet darauf hin, dass eine chronisch hyperaktive HHNA mit einer abgestumpften akuten Stressreaktion für ein männerspezifisches Muster für Depressionen in Verbindung mit AUDs und Suizidalität verantwortlich ist.
Zum Zusammenhang zwischen einer reaktiven Sekretion von Sexualhormonen als Reaktion auf psychosozialen Stress und Depressionssymptome gibt es widersprüchliche Berichte.
Walther, A., Rice, T., Kufert, Y., & Ehlert, U. (2017). Neuroendocrinology of a Male-Specific Pattern for Depression Linked to Alcohol Use Disorder and Suicidal Behavior. Frontiers in psychiatry, 7, 206. https://doi.org/10.3389/fpsyt.2016.00206