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Männer, welche im Rahmen der vorliegenden Studie eine männerspezifische Psychoedukation in Bezug auf Depression (im Folgenden mit "MDD" = Major Depressive Disorder abgekürzt) erhalten hatten, zeigten verglichen mit Männern, welche eine kognitiv-verhaltenstherapeutisch (KVT)-basierte MDD-Psychoedukation erhalten hatten, eine stärkere Abnahme der Scham und des negativen Affekts sowie eine stärkere Zunahme prototypischer Depressionssymptome. Zudem zeigte sich ein signifikanter Interaktionseffekt zwischen der Psychoedukationskondition und Zeitpunkt der Messung des negativen Affekts. Nur Männer, welche die männerspezifische Psychoedukation erhalten hatten, wiesen eine Reduktion im negativen Affekt auf. Es konnte kein signifikanter Einfluss der Psychoedukationskondition auf Selbstvertrauen, männertypische Depressionssymptome und traditionelle Männlichkeitsideologie (TMI) gefunden werden. Männertypische Depressionssymptome schienen jedoch unter der männerspezifischen Psychoedukationsbedingung tendenziell abzunehmen.
Eine männerspezifische Psychoedukation für MDD, welche TMI mit einbezieht könnte folglich dabei helfen, die Scham bei depressiv belasteten Männern zu reduzieren und zu einem weniger negativen Affekt bezogen auf ihren Zustand führen. Zudem könnte eine männerspezifische Psychoedukation bei MDD einen Wechsel von schädlichen männertypischen externalisierenden Depressionssymptomen zu mehr prototypischen Depressionssymptomen bewirken.
Männerspezifische Psychoedukation für MDD scheint ein grosses Potential für die effizientere Reduktion von Schamgefühlen, Selbststigma und negativem Affekt bei MDD zu haben.
MDD zeichnet sich durch ein mindestens zwei Wochen langes Auftreten der Hauptsymptome «depressive Verstimmung» und/oder «Interessen- und Freudverlust» sowie mindestens vier weitere Symptome aus. Viele Männer - insbesondere jene, welche TMI stark befürworten - lehnen das Erfahren dieser prototypischen, internalisierenden Symptome ab, da sie sich nicht mit TMI vereinbaren lassen. Aufgrund ihrer traditionell männlichen Sozialisation verspüren jene Männer womöglich Scham in Bezug auf prototypische Depressionssymptome. Sie drücken ihr Leiden daher in männertypischen, externalisierenden Depressionssymptomen (z.B. Aggression, Substanzmissbrauch, risikoreiches Verhalten) aus.
Über 100 Millionen Männer leiden weltweit an MDD. Die KVT stellt dabei die Behandlung erster Wahl dar. Die Literatur deutet darauf hin, dass Geschlechtsunterschiede zwischen Männern und Frauen bezüglich der Wahrnehmung und der Auseinandersetzung mit der Psychotherapie bestehen. Bezüglich der Wirksamkeit der KVT existieren keine einheitlichen Befunde. Es gibt aber Studien, die darauf hinweisen, dass bei Männern die Wirksamkeit der KVT tiefer und die Rate der Therapieabbrüche höher ist. Eine Erklärung dafür kann die Befürwortung von TMI sein.
Bisher existieren sehr wenige Studien, welche systematisch männerspezifische Therapiemodalitäten bei MDD untersuchten. In der vorliegenden randomisiert-kontrollierten Studie wurde erstmals eine KVT-basierte Psychoedukation mit einer männerspezifischen Psychoedukation verglichen.
Es wurden Männer (>18J.) aus deutschsprachigen Ländern online rekrutiert. Mittels eines Links gelangten sie zur Online-Plattform der Studie (AST), wo sie gefragt wurden, ob sie sich derzeit psychisch gestresst fühlten und psychometrische Fragebögen, in welchen soziodemografische Informationen, das Selbstbewusstsein, die Scham, der positive und negative Affekt, prototypische Depressionssymptome, männertypische Depressionssymptome und die Befürwortung männlicher Rollennormen erfragt wurden, ausfüllten. Danach erhielten sie zufällig eine männerspezifische oder eine klassische KVT-basierte MDD-Psychoedukation. Im Anschluss wurden sie gefragt, ob sie die Psychoedukation hilfreich fanden und gebeten, die psychometrischen Fragebögen erneut auszufüllen. Die finale Stichprobe bestand aus 152 Männern, wovon 74 Männer eine KVT-basierte und 78 Männer eine männerspezifische Psychoedukation erhalten hatten.
Ungefähr ein Drittel der Männer (34.2%) gab an, eine psychiatrische Diagnose erhalten zu haben und 28.3% der Männer berichteten, eine Depressionsdiagnose erhalten zu haben. Ungefähr ein Fünftel der Männer (19.1%) erreichte den Schwellenwert für eine moderate Depression. Weniger als ein Drittel der Männer gab an, sich derzeit in Psychotherapie zu befinden und noch weniger (18.4%) nahm psychiatrische Medikamente ein. Zwischen beiden Gruppen (KVT-basierte Psychoedukation vs. männerspezifische Psychoedukation) zeigte sich nur bezüglich der Befürwortung männlicher Rollennormen ein Unterschied, welcher jedoch bei Korrektur für multiples Testen nicht bestehen blieb.
Männer, welche die männerspezifische Psychoedukation erhalten hatten, zeigten verglichen mit jenen, die die KVT-basierte Psychoedukation erhalten hatten...
Für den negativen Affekt wurde ein signifikanter Interaktionseffekt zwischen der Psychoedukationskondition (KVT-basiert vs. männerspezifisch) und dem Messzeitpunkt gefunden. Weitere Analysen zeigten, dass Männer in der männerspezifischen Psychoedukationsgruppe eine Reduktion des negativen Affekts nach der Psychoedukation aufwiesen. Dies war bei der KVT-basierten Psychoedukationsgruppe nicht der Fall. Die Analyse der anderen Fragebögen ergab keine signifikanten Effekte.
Walther, A., & Eggenberger, L. (2022, September 5). Evaluation of Male-Specific Psychoeducation for Major Depressive Disorder Compared to Cognitive Behavioral Therapy Psychoeducation: A Randomized Controlled Investigation in Mentally Distressed Men. Retrieved from psyarxiv.com/ru9ca