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In Anbetracht der COVID-19-Pandemie und Befunden zum Zusammenhang zwischen traditioneller Männlichkeit und Gesundheitsverhalten ist es wichtig, Männlichkeit und COVID-19 differenziert zu untersuchen. In den Daten der vorliegenden Onlinestudie «Men’s Mental Health in Times of COVID-19» zeigte sich, dass Männer, welche sich mit COVID-19 angesteckt hatten, höhere Werte in Instrumenten, welche die Befürwortung traditioneller Männlichkeitsideologie und Geschlechtsrollenkonflikt messen, angaben. Im Weiteren zeigten sich prototypische Depressionssymptome negativ assoziiert mit dem Risiko, sich mit COVID-19 angesteckt zu haben, während männertypische Depressionssymptome mit einem höheren Risiko einer COVID-19-Ansteckung einhergingen. Männer, die eine höhere Traditionelle Männlichkeit aufweisen und mehr männertypische Depressionssymptome berichten, scheinen also einem grösseren Risiko für eine COVID-19-Ansteckung ausgesetzt zu sein. Aufgrund der kleinen Stichprobenzahl sind diese Befunde als vorläufig zu betrachten. Gleichwohl erwächst vor diesem Hintergrund die Empfehlung, in Kampagnen zur Gesundheitsförderung spezifisch Männer mit hohen traditionellen Männlichkeitsmassen anzusprechen.
Trotz ungefähr gleich hoher COVID-19-Infektionsraten zu Beginn der Pandemie bei Männern und Frauen wiesen Männer ein höheres Risiko auf, an einer COVID-19-Erkrankung zu sterben. Eine Erklärung dafür könnte im schon länger bekannten riskanten Gesundheitsverhalten der Männer liegen. Neuere Befunde zeigten, dass Männer eher als Frauen die Risiken in Zusammenhang mit COVID-19 herunterspielen, sich weniger vor sehr schwerwiegenden Konsequenzen einer COVID-19-Infektion fürchten und weniger geneigt sind, staatlichen Gesundheitsvorschriften zu folgen. Insbesondere bei Männern mit höheren Werten in Traditionellen Männlichkeits-Konstrukten, welche sich z.B. durch Stärke, Härte und Eigenständigkeit auszeichnen, zeigte sich ein Zusammenhang mit riskantem Gesundheitsverhalten. Dies könnte erklären, wieso gewisse Subpopulationen weniger zu staatlichen COVID-19-Protektionsmassnahmen greifen (z.B. Maskentragen) und Männer eine erhöhte Mortalität aufwiesen. Gleichwohl wurden nun auch positive und gesundheitsförderliche Aspekte der traditionellen Männlichkeit erkannt. Es zeigt sich also, dass es wichtig ist, die unterschiedlichen Facetten traditioneller Männlichkeit zu betrachten, um der Komplexität der Zusammenhänge zwischen Männlichkeit und Gesundheitsergebnissen gerecht zu werden.
Vor kurzem wurde zunehmend diskutiert, ob Menschen, die an einer psychischen Störung erkrankt sind, ein erhöhtes Risiko für COVID-19 aufweisen. Die Studienlage ist uneindeutig, was es wichtig macht, spezifische Subgruppen zu untersuchen. In Bezug auf Depressionsdiagnosen könnte man annehmen, dass aufgrund krankheitsspezifischer Aspekte (wie z.B. eine verminderte soziale Teilhabe) ein tieferes Risiko für eine COVID-19-Ansteckung besteht. Jedoch muss bedacht werden, dass Männer, welche hohe traditionelle Männlichkeitsmasse aufweisen, eher externalisierende Depressionssymptome (z.B. Aggression, Risikoverhalten oder Substanzabusus) berichten. Ein solches Symptombild könnte mit einem höheren Risiko für eine COVID-19-Ansteckung zusammenhängen.
Die Beziehung zwischen dem Risiko einer COVID-19-Ansteckung und traditioneller Männlichkeit ist also nicht unabhängig von der Depressionssymptomatik. In der vorliegenden Studie wurde angenommen, dass eine positive Beziehungen zwischen traditioneller Männlichkeit, gemessen mit unterschiedlichen Konstrukten (Geschlechtsrollenorientierung, traditionelle Männlichkeitsideologie und Geschlechtsrollenkonflikt) und COVID-19-Ansteckung besteht. Zudem wurde explorativ untersucht, ob ein negativer Zusammenhang zwischen prototypischen Depressionssymptomen und einer COVID-19-Ansteckung und ein positiver Zusammenhang zwischen männertypischen Depressionssymptomen und einer COVID-19-Ansteckung besteht.
Es wurden Männer ab 18 Jahren in der Schweiz, Deutschland, Österreich, Lichtenstein, Luxembourg und Belgien befragt. Insgesamt wurden 490 Teilnehmer eingeschlossen, wovon 34 Männer zurzeit oder im Vorfeld eine COVID-19-Ansteckung aufwiesen.
Die folgenden Erhebungsinstrumente wurden eingesetzt:
Die Resultate stützen teilweise die Annahme, dass eine höhere Expression traditioneller Männlichkeit (MRNI-SF, GRCS-SF) mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit einer Covid-19-Ansteckung einhergeht. Zwei der drei Maskulinitäts-Messinstrumente (MRNI-SF, GRCS-SF) zeigten sich signifikant erhöht in der Gruppe der Männer, welche eine COVID-19-Ansteckung berichteten. Dabei waren im spezifischen die Subskalen «Restriktive Emotionalität», «Wichtigkeit von Sex», «Härte» (MRNI-SF) und «Stärke», «Wettbewerb» und «Erfolg» (GRCS-SF) erhöht. Bei Kontrolle für multiples Testen und der Untersuchung konfundierender Variablen zeigten sich diese Effekte nicht signifikant.
Im Weiteren zeigte eine multivariate Analyse, dass sowohl prototypische als auch männertypische Depressionssymptome in Kombination mit den Konstrukten der traditionellen Männlichkeit und Angst sowie Stress bezogen auf COVID-19 die stärksten Prädiktoren für das Risiko einer COVID-19-Ansteckung sind. Diese Zusammenhänge sollten jedoch vorsichtig interpretiert und in einer grösseren Stichprobe erneut untersucht werden. In einer grösseren Stichprobe könnten sich traditionelle Männlichkeitsmasse als signifikante Prädiktoren zur Vorhersage einer COVID-19-Ansteckung zeigen.
Die Resultate weisen auf einen negativen Zusammenhang zwischen prototypischen Depressionssymptomen und COVID-19-Ansteckungsrisiko sowie einen positiven Zusammenhang zwischen externalisierenden Depressionssymptomen und COVID-19-Ansteckungsrisiko. Diese Beziehungen wurden im Rahmen dieser Studie erstmalig untersucht.
Walther, A.; Eggenberger, L.; Grub, J.; Ogrodniczuk, J.S.; Seidler, Z.E.; Rice, S.M.; Kealy, D.; Oliffe, J.L.; Ehlert, U. Examining the Role of Traditional Masculinity and Depression in Men’s Risk for Contracting COVID-19. Behav. Sci. 2022, 12, 80. https://doi.org/ 10.3390/bs12030080