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Psychologisches Institut Entwicklungspsychologie: Erwachsenenalter

Sind soziale Unterschiede (un)veränderbar?

von Dr. David Weiss


Warum nehmen manche Menschen soziale Unterschiede zwischen verschiedenen Gruppen als veränderbar wahr - andere aber eher als biologisch vorbestimmt und unveränderlich? Welchen Einfluss hat die eigene soziale Stellung in der Gesellschaft für die Befürwortung und Aufrechterhaltung dieser Überzeugungen?

In einer aktuellen Arbeit untersuchten Michael Kraus und Dacher Keltner von den Universitäten Illinois, Urbana–Champaign und California, Berkeley diese Frage in vier verschiedenen Studien und Experimenten. Die Autoren gehen davon aus, dass der gesellschaftliche Status ein zentraler Bestandteil der sozialen Wahrnehmung ist. Demnach signalisiert ein hoher sozialer Status Handlungsfreiheit und Zugang zu vielen Ressourcen (z. B. Bildung, Einkommen, soziales Kapital), während ein niedriger sozialer Status ein Indikator für wenig Gestaltungsfreiheit und geringe Ressourcen darstellt. Forschungsergebnisse zeigen, dass Personen mit einem hohen sozialen Status einen besseren Zugang zu Bildung, Jobs und sogar eine längere Lebenserwartung haben. Weiterhin vertreten Personen mit niedrigem bzw. hohem sozialen Status unterschiedliche kulturelle Muster (z. B. Art des Kleidens, Freizeitaktivitäten etc.), welche die wahrgenommenen Statusunterschiede zwischen Gruppen weiter verstärken.

Wie erklären aber nun Personen mit einem unterschiedlichen sozialen Status soziale Unterschiede zwischen Gruppen? Die essentialistische Sichtweise geht davon aus, dass die Zugehörigkeit zu einer sozialen Kategorie unveränderlich, biologisch vorherbestimmt und genetisch verankert ist. Die Autoren argumentieren in ihrer Arbeit, dass Personen mit einem hohen sozialen Status motiviert sind soziale Unterschiede und Hierarchien zu rechtfertigen und daher bestrebt sind, essentialistische Sichtweisen zu unterstützen. Im Gegensatz dazu sind Personen mit einem niedrigeren sozialen Status motiviert soziale Unterschiede zu verändern und lehnen daher eher essentialistische Sichtweisen ab. Darüberhinaus gehen die Autoren davon aus, dass die essentialistische Sichtweise zu einer Befürwortung von härteren Strafen führt, da diese Perspektive nahe legt, dass Verfehlungen auf „schlechte Gene“ zurückzuführen sind und dass die Chance zur Rehabilitation von Straftätern eher gering ist.

Kraus und Keltner konnten in vier Studien ihre Hypothesen bestätigen. In allen Studien ging ein höherer sozialer Status mit einer Befürwortung der essentialistischen Sichtweise einher. In den Studien 1 und 2 argumentierten Personen mit einem hohen sozialen Status in einem stärkeren Masse, dass die soziale Herkunft unveränderbar und biologisch vorbestimmt ist, als Personen mit einem niedrigeren Status. Eine stärkere essentialistische Sichtweise war weiterhin mit dem Bedürfnis assoziiert, die Welt als fair und gerecht zu sehen. In Studie 3 führte eine Aktivierung der essentialistischen Überzeugung zu einer Befürwortung von härteren Strafen für Studierende, die bei einer Klausur getäuscht hatten. In Studie 4 konnten die Autoren zeigen, dass Personen die wahrnahmen einen hohen sozialer Status zu haben, stärker essentialistische Sichtweisen sowie härtere und weniger rehabilitative Strafen befürworteten. Die Arbeit von Kraus und Keltner zeigt, dass unsere Stellung in der Gesellschaft die Wahrnehmung der sozialen Umwelt bedeutend prägt. Demnach beeinflusst der wahrgenommene soziale Status essentialistische Vorstellungen über soziale Gruppen, Hierarchien und die Befürwortung von härteren Strafen.

Quelle: Kraus, M. W., & Keltner, D. (in press). Social class rank, essentialism, and punitive judgment. Journal of Personality and Social Psychology.

Bitte beachten Sie, dass diese Studie nicht in unserem Labor durchgeführt wurde. Wenn Sie an einer Studie in unserem Labor teilnehmen möchten, finden Sie dazu hier weitere Informationen.
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