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Dass soziale Unterstützung gegen die krankmachenden Effekte von Stress schützt, ist einer der am häufigsten bestätigten Effekte der Gesundheitspsychologie. Wie jedoch dieser Schutz funktioniert, ist nach wie vor nicht endgültig geklärt. Daher wollte die amerikanische Psychologin Sheldon Cohen zusammen mit ihren Kollegen die Funktionsweise von sozialer Unterstützung untersuchen. Ausgangspunkt ihrer Studie war die Beobachtung, dass es weniger die tatsächlich empfangene soziale Unterstützung ist, die in Stresssituationen hilfreich ist. Es kommt also weniger darauf an, tatsächlich von jemandem getröstet zu werden oder konkrete Hilfe und Unterstützung zu erhalten. Vielmehr scheint es die wahrgenommene soziale Unterstützung zu sein, die ausschlaggebend ist. Es kommt also darauf an, sich durch Andere geborgen und akzeptiert zu wissen, auch und gerade wenn es drunter und drüber geht. Doch woher wissen wir, dass wir durch Andere geborgen und akzeptiert werden. Cohen hatte die Hypothese, dass Andere uns ihre Unterstützung durch den Ausdruck körperlicher Nähe wie etwa durch Umarmungen und Handhalten signalisieren. Um diese Hypothese zu überprüfen, führte sie eine bisher nie dagewesene Studie durch.
Zunächst wählte sie über 400 männliche und weibliche Freiwillige aus, die sie unter anderem einem Bluttest und weiteren medizinischen Untersuchungen unterzog. Anschliessend wurden alle Teilnehmer an 14 aufeinander folgenden Abenden telefonisch kontaktiert und nach ihren sozialen Interaktionen während des Tages gefragt. Neben gemeinsamen Aktivitäten mit der Familie und den Freunden wurde auch gefragt, ob die Teilnehmer Konflikte mit Anderen erlebt haben und ob sie an dem Tag von jemanden in den Arm genommen wurden. Nach diesen 14 Tagen brachte man alle Teilnehmer in Quaratäne, infizierte sie mit einem relativ ungefährlichen Erkältungsvirus, und mass in den folgenden Tagen und Wochen die Antikörper-Reaktionen (über einen Bluttest) sowie Erkältungssymptome (unter anderem über das Gewicht benutzter Taschentücher).
Die Ergebnisse der Studie sprechen für sich. Je mehr Konflikte an den 14 Tagen erlebt wurden, desto grösser war das Risiko einer Infektion. Dies galt jedoch nur für Teilnehmer, die keine oder nur wenige Umarmungen erhalten haben. Bei den Teilnehmern, die viele Umarmungen erhalten haben, war der Zusammenhang zwischen Konflikten und Infektionen sogar umgekehrt (!). Mehr Konflikte führten hier sogar zu einer leichten Abnahme des Infektionsrisikos und das auch, wenn der allgemeine Gesundheitszustand, das vorherige Vorhandensein von Antikörpern und andere psychologische Faktoren in der Statistik berücksichtigt wurden. Hinzu kam, dass nicht nur das Infektionsrisiko sank, sondern die Infektion auch weniger schwerwiegend war, je häufiger man in den Arm genommen wurde.
Was keine Rolle für das Infektionsrisiko spielte war, ob die Umarmungen an den Konflikttagen empfangen wurden oder nicht. Es war also vermutlich nicht die Versöhnung am gleichen Tag, welche den gesundheitsfördernden Effekt hatte, sondern die Wahrnehmung sozialer Unterstützung ganz allgemein. Die Autoren schlussfolgern, dass Umarmungen ein Indikator für soziale Unterstützung ist, die sich wiederum positiv auf unser Immunsystem auswirkt. Ob Umarmungen in der Grippezeit jedoch die beste Prävention gegen eine Erkältung sind, muss sich noch beweisen. Schliesslich kann alleine körperliche Nähe das Infektionsrisiko auch steigern. Wenigstens können wir jedoch hoffen, dass die Erkältung dann nicht so schlimm verläuft.
Quelle:
Cohen, S., Janicki-Deverts, D., Turner, R. B., & Doyle, W. J. (in Druck). Does hugging provide stress-buffering social support? A study of susceptibility to upper respiratory infection and illness. Psychological Science.
Bitte beachten Sie, dass diese Studie nicht in unserem Labor durchgeführt wurde. Wenn Sie an einer Studie in unserem Labor teilnehmen möchten, finden Sie dazu hier weitere Informationen.
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