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Psychologisches Institut Entwicklungspsychologie: Erwachsenenalter

Mehr Sport oder doch gesünder ernähren?

Von Jessica Oschwald und Dr. Kathrin Krause


Kommt Ihnen diese Szene bekannt vor? Die Waage zeigt schon wieder ein Kilogramm mehr an und Sie fragen sich, weshalb Sie zugenommen haben: Lag es am zweiten Kuchenstück oder ist die Bewegung zu kurz gekommen? Es kursieren viele, teils widersprüchliche Theorien zur Gewichtszunahme. Falsche Ernährung, mangelnde Bewegung oder genetische Veranlagung sind die am häufigsten genannten Ursachen für Übergewicht. Wenn sich nicht einmal Experten einig sind, könnte man meinen, ist es nicht so wichtig, an welche Theorie man glaubt.

Dem ist aber nicht so: Bisherige Forschung hat gezeigt, dass sogenannte „laienhafte“ Theorien, also persönliche Überzeugungen zu einem Ursache-Wirkungs-Zusammenhang einen Einfluss auf zielgerichtetes Verhalten haben, sei es bei der Umsetzung von Neujahrsvorsätzen, in Beziehungen oder eben bei der Gewichtsregulation. Welche Theorien sind in den Köpfen der Menschen vorhanden, wenn es um die Ursache von Übergewicht geht? Und wie wirken sich diese auf das Verhalten aus?

Die Forscher Brent McFerran und Anirban Mukhopadhyay haben sich dieser Fragen angenommen und Laien-Theorien im Bezug auf die Ursache von Übergewicht untersucht. Dabei nahmen sie an, dass die meisten Menschen Übergewicht als beeinflussbar wahrnehmen, und daher mangelnde Bewegung, übermässige Nahrungszufuhr oder eine Kombination aus beidem eher für Übergewicht verantwortlich machen als genetische Faktoren. Laut bisherigen Studien unterschätzen Menschen meistens ihre Kalorienzufuhr und überschätzen gleichzeitig die Zahl der verbrannten Kalorien bei sportlichen Aktivitäten. Deshalb vermuten die Forscher, dass Menschen, die übermässiges Essen als Ursache für eine Gewichtszunahme sehen (Ernährungstheorie) eher auf ihre Kalorienzufuhr achten und dadurch weniger übergewichtig sind. Weiterhin nehmen sie an, dass Menschen, welche zu wenig Sport als Erklärung für eine Gewichtszunahme sehen (Bewegungstheorie), weniger darauf achten, wie viel sie essen und dadurch eher übergewichtig sind.

In sechs Studien, sind McFerran und Mukhopadhyay diesen Vermutungen nachgegangen: In der ersten Studie befragten die Forscher Personen, was ihrer Meinung nach die Hauptursache für Übergewicht ist: Übermässiges Essen, mangelnde sportliche Betätigung oder genetische Faktoren. Wie vermutet, glaubten die meisten (über 90%), dass Übergewicht vor allem auf die Ernährung (50.4%) oder mangelnde Bewegung (41.3%) zurückgeführt werden kann, während nur wenige (8.3%) an genetische Veranlagung glaubten. Weiterhin gaben die Personen ihr Gewicht und ihre Grösse an, woraus ein vergleichbares Gewichtsmass, der Body Mass Index (BMI), berechnet wurde. Wie die Forscher vorhersagten, hatten Personen, welche an die Ernährungstheorie glaubten, einen niedrigeren BMI und waren weniger übergewichtig als diejenigen, welche an die Bewegungstheorie glaubten, also statt der Ernährung mangelnde sportliche Aktivität für Übergewicht verantwortlich machten. Drei weitere Studien konnten bestätigen, dass die Stärke des Glaubens an eine Theorie, der kulturelle Hintergrund der Teilnehmenden oder andere, bisher nicht berücksichtigte laienhafte Theorien keinen Einfluss auf diese Resultate hatten. Die Forscher schliessen daraus, dass persönliche Überzeugungen zur Ursache von Übergewicht die Wahrscheinlichkeit, selbst übergewichtig zu sein, beeinflussen.

Trotzdem konnten sie mit diesen Ergebnissen noch nicht belegen, dass Personen, welche an die Bewegungstheorie glauben, deshalb einen höheren BMI haben, weil sie tatsächlich weniger auf die Ernährung achten und dadurch mehr Kalorien zu sich nehmen. Daher führten die Forscher eine fünfte Studie durch, in der sie den Teilnehmenden einen Becher mit Schokoladenstücken zum Verzehr bereitstellten, mit der Erklärung, dass diese von einer vorherigen Studie übrig geblieben seien. Nachdem die Personen zur Ablenkung an anderen Studien teilgenommen hatten, wurden sie nach ihren Überzeugungen zur Ursache von Übergewicht gefragt. Danach wurde gezählt, wie viele Schokoladenstückchen sie gegessen hatten. Personen, welche an die Bewegungstheorie glaubten, also mangelnde Bewegung als Ursache für Übergewicht annahmen, assen mehr Schokolade als Personen, welche an die Ernährungstheorie glaubten und damit die Kalorienzufuhr als Ursache vermuteten.

Die Forscher hatten demnach einen Hinweis darauf, dass der Glaube an die Bewegungstheorie Menschen dazu verleitet, mehr Kalorien zu sich zu nehmen. Dieser Mechanismus funktioniert aber nicht nur für langfristige Überzeugungen. Laien-Theorien können auch ‚erlernt’ werden. Dies zeigten die Forscher in einer sechsten, ähnlichen Studie, indem sie Personen in zwei Gruppen aufteilten, welche je einen Text zu einer der beiden Theorien lasen. Personen, welche einen Text zur Bewegungstheorie lasen, assen mehr Schokolade als Personen, welche einen Text zur Ernährungstheorie lasen.

Die Autoren schliessen aus ihren Untersuchungen, dass psychologische Überzeugungen in Form von Laien-Theorien einen massgeblichen Einfluss darauf haben, ob jemand übergewichtig ist oder nicht. Der Befund, dass solche Theorien auch erlernt werden können, ist ein wichtiger Hinweis auf die Wirksamkeit von Gesundheitskampagnen. Diese können es sich zur Aufgabe machen, Menschen stärker für ihre Ernährungsgewohnheiten und ihren Kalorienkonsum zu sensibilisieren.

Quelle: McFerran, B., & Mukhopadhyay, A. (2013). Lay Theories of Obesity Predict Actual Body Mass. Psychological Science, online first publication.

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