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Psychologisches Institut Entwicklungspsychologie: Erwachsenenalter

Gute Ratschläge sind hilfreich - vor allem, wenn man sie selber gibt

von Laura Almeling

 

Wenn wir uns unsicher sind wie wir unsere Ziele erreichen können, dann fragen wir oft Andere um Rat. Der schon fast triviale Grund dafür ist: Wir wollen mehr Informationen. Diese, so nehmen wir an, können uns dabei weiterhelfen die richtigen Entscheidungen zu treffen. Tatsächlich ist es so, dass im Fall einer Wissenslücke der Rat von anderen, die das nötige «Know-how» haben, zu besseren Entscheidungen verhilft. Nichtsdestotrotz, ein Ziel zu erreichen erfordert nicht nur das Wissen «wie», sondern vor allem auch eine hohe Motivation das Wissen in die Tat umzusetzen. Wenn man nicht motiviert ist, dann können gute Ratschläge auch schädlich sein, da sie Gefühle der Unzulänglichkeit noch unterstützen. Wenn ein Ratschlag, den man in einem solchen Fall bekommt, zumindest mit neuen Informationen verbunden ist, so mögen sich die Vor- und Nachteile ausbalancieren. Wenn aber schon genügend Wissen vorhanden ist und man trotzdem wiederholt scheitert seine Ziele umzusetzen, dann leidet das Selbstbewusstsein. Das ist fatal, wenn man bedenkt, dass das Zutrauen in die eigenen Fähigkeiten einen noch grösseren Einfluss darauf hat, ob man seine Ziele erreicht, als das Ausmass der eigenen Fähigkeiten. Was könnte in so einem Fall noch weiterhelfen?

Die Forscherinnen Lauren Eskreis-Winkler, Ayelet Fishbach und Angela L. Duckworth untersuchten in einer Reihe von Experimenten an insgesamt 2,274 Personen die zunächst etwas kontraintuitive erscheinende Hypothese, dass Menschen mehr davon profitieren gute Ratschläge zu erteilen, als selber welche zu bekommen. Im ersten Experiment wurde dies im Kontext schulischer Leistung untersucht. Die teilnehmenden SchülerInnen wurden in zwei Gruppen eingeteilt: Die eine Gruppe («Ratschlags-Geber») erhielt einen kurzen Brief von einem jüngeren Schüler, der von seinen Problemen, mit den Schulaufgaben am Ball zu bleiben, berichtete und um Hilfe bat. Die Teilnehmenden verfassten dann einen kurzen Brief, in dem sie dem jüngeren Schüler Tipps gaben, wie man sich am besten dazu motiviert. Die andere Gruppe («Ratschlags-Nehmer») erhielt einen schriftlichen Expertenratschlag von einem/r LehrerIn. Als Mass für den Erfolg der Ratschläge wurde die Zeit gemessen, wie lange die Teilnehmenden den Online-Vokabeltrainer im folgenden Monat benutzten. Die SchülerInnen in der «Ratschlags-Geber»- Gruppe machten deutlich länger Vokabeltraining, als die «Ratschlags-Nehmer. Dementsprechend profitieren SchülerInnen hinsichtlich des Engagements beim Vokabeltraining mehr davon anderen Tipps diesbezüglich zu geben, als selber welche zu bekommen.

In einem weiteren Experiment untersuchten die Autorinnen, ob es solche Effekte auch in anderen Kontexten gibt und ob ein solcher Effekt der allgemeinen Erwartung entspricht. In diesem Studienteil wurden erwachsene Teilnehmende untersucht, die mit einem der folgenden Dinge Schwierigkeiten hatten: Geld sparen, Temperament zügeln, Abnehmen und Arbeitssuche bei aktueller Arbeitslosigkeit. Sie wurden in zwei Gruppen eingeteilt: die «Verfolger» und die «Vorhersager». Teilnehmende in der «Verfolger»-Gruppe wurden als erstes gebeten, anderen, die ähnliche Schwierigkeiten haben wie sie selber, einen persönlichen Tipp zu geben (Ratschlags-Geber Bedingung). Danach erhielten sie selber einen schriftlichen Ratschlag von einem Experten (Ratschlags-Nehmer Bedingung). Abschliessend wurden sie gefragt, ob das Geben oder Bekommen eines Ratschlages sie mehr motiviert hat ihr Ziel weiter zu verfolgen. Die Teilnehmenden in der «Vorhersager»-Gruppe bekamen zwei Ratschläge zu lesen: Erst ein Beispiel, welches von den Teilnehmenden der «Verfolger»-Gruppe verfasst wurde, und dann ein Beispiel was die Teilnehmenden dieser Gruppe von einem Experten bekommen hatten. Danach wurden sie befragt, was sie glauben, was die Teilnehmenden der «Verfolger»-Gruppe mehr motiviert hat ihr Ziel zu verfolgen: den Ratschlag zu geben, oder einen Ratschlag von einem Experten zu bekommen. Die Analyse ergab, dass etwa zwei Drittel der Teilnehmenden der «Verfolger»-Gruppe das Erteilen eines Ratschlages als motivierender empfand, als selber einen zu bekommen. Dahingegen gaben zwei Drittel der Teilnehmenden der «Vorhersager»-Gruppe an, zu glauben, dass die Teilnehmenden der anderen Gruppe mehr durch das Bekommen eines Ratschlages motiviert wurden. Dieser Befund war unabhängig von den verschiedenen Kontexten, wie Sparen oder Abnehmen. Während also wiederholt bestätigt werden konnte, dass das Erteilen eines Ratschlages motivierender ist, als einen zu erhalten, so steht dieser Effekt im Gegensatz zu dem Glauben, dass man von dem Erhalten eines Ratschlages am meisten profitiert.

Die Autorinnen vermuteten, dass das Geben von Ratschlägen einen positiven Einfluss auf das Selbstbewusstsein und dadurch auf die Motivation hat und dass dies den meisten Menschen nicht bewusst ist. Sie wiederholten das zuvor beschriebene Experiment an einer Stichprobe von stark übergewichtigen Personen. Zusätzlich wurde erfasst, wie das Geben und Erhalten von Ratschlägen das Selbstbewusstsein beeinflusst. Der Befund der vorherigen Studie wurde durch dieses Experiment bestätigt. Ausserdem fühlten sich etwa drei Viertel der Teilnehmenden in der «Verfolger»-Gruppe nach dem Erteilen eines Ratschlages selbstbewusster, als wenn sie einen erhielten. Das Ausmass des Selbstbewusstseins wiederum hatte einen positiven Effekt auf die Motivation Gewicht zu verlieren. Dies entsprach nicht den Erwartungen der «Vorhersager»-Gruppe: Etwa lediglich die Hälfte erwartete, dass das Geben (im Vergleich zum Erhalten) eines guten Ratschlages einen stärkeren Effekt auf das Selbstbewusstsein hat. Ausserdem unterschieden sich «Verfolger»- und «Vorhersager»-Gruppe in ihrer Einschätzung der Motivation weniger, wenn man den Faktor Selbstbewusstsein in der Analyse berücksichtigte. Das bedeutet, dass der Einfluss vom Geben auf das Selbstbewusstsein unterschätzt wird, was wiederum bedingt, dass dem Einfluss vom Geben guter Ratschläge auf die Motivation ein so geringer Einfluss zugeschrieben wird.

Zusammenfassend scheint das Geben guter Ratschläge die Motivation stärker positiv zu beeinflussen als das Erhalten solcher. Dass die positive Wirkung des Gebens guter Ratschläge im Allgemeinen unterschätzt wird, scheint daran zu liegen, dass der positive Effekt auf das Selbstbewusstsein, der damit einhergeht, verkannt wird. Dementsprechend scheint es ratsam anderen einen guten Rat zu geben – insbesondere dann, wenn man nicht sehr motiviert ist, seine Ziele in die Tat umzusetzen.

 

 

 

 

Literaturangaben:
 

Eskreis-Winkler, L., Fishbach, A., & Duckworth, A. L. (2018). Dear Abby: Should I Give Advice or Receive It? Psychological Science. https://doi.org/10.1177/0956797618795472

 

 

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