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Psychologisches Institut Entwicklungspsychologie: Erwachsenenalter

Radikalisierung und Unsicherheit

von Dr. David Weiss


In Zeiten von Finanz- und Wirtschaftskrisen ist ein Anstieg radikaler politischer Gruppen auf der rechten und der linken Seite zu beobachten. Die Unsicherheit-Identitätstheorie sieht den Grund für die Entstehung von Extremismus in der Wahrnehmung von Unsicherheit. Wenn Menschen sich in Ihrem Selbstverständnis und ihren Werten bedroht fühlen, neigen sie dazu sich eher mit „radikalen“ als mit „gemässigten“ Gruppen zu identifizieren. Demnach kommt es unter Unsicherheit zu einer Radikalisierung von vorher eher moderaten Gruppen. Weiterhin identifizieren sich Personen unter Unsicherheit stärker mit radikalen Gruppen mit dem Ziel, ihre wahrgenommene Unsicherheit zu reduzieren. Die Unsicherheit-Identitätstheorie argumentiert, dass die Identifikation mit einer extremen oder radikalen Gruppe besonders effektiv ist, das eigene Weltbild und Selbstverständnis zu validieren und dadurch Selbstunsicherheit zu reduzieren. Hogg und Kollegen testeten die Unsicherheits-Identifikations-Hypothese in einem Experiment mit 82 australischen Studierenden. Das Experiment enthielt ein Video-Interview mit studentischen Aktionsgruppen, die sich die Bekämpfung von Studiengebühren als Ziel gesetzt hatten. Nachdem Selbstunsicherheit aktiviert wurde, wurde das Interview einer entweder radikalen oder moderaten Gruppe zur Bekämpfung der Studiengebühren dargestellt. Daraufhin wurde erfasst, wie stark sich die Probanden mit der jeweiligen Gruppe identifizierten. Weiterhin wurde die Bereitschaft gemessen, ob und inwieweit sich die Teilnehmenden für die jeweilige Gruppe engagieren und einsetzen würden. Die Ergebnisse zeigen, dass unter Unsicherheit die Identifikation mit der radikalen Gruppe deutlich anstieg. Aktivierte Unsicherheit führte zu einer verstärkten Identifikation mit der radikalen Gruppe, hatte aber keinen Einfluss auf die Identifikation mit der gemässigten Gruppe. Weiterhin berichteten die Probanden in der Unsicherheitsbedingung eine höhere Bereitschaft, sich für die radikale Gruppe zu engagieren.

Die Ergebnisse von Hogg und Kollegen deuten darauf hin, dass in Zeiten von Unsicherheit Personen die Zugehörigkeit zu Gruppen mit radikalen Zielen suchen und Gruppen mit gemässigten Zielen eher ablehnen. Die dargestellte Beziehung zwischen Unsicherheit und Extremismus könnte ein erster Schritt sein, Phänomene wie die Diskriminierung von Minderheiten, Radikalisierung, Fanatismus und Terrorismus in Zeiten von Veränderung und Wandel zu erklären.


Quelle: Hogg, M.A., Meehan, C., & Farquharson, J. (2010). The solace of radicalism: Self-uncertainty and group identification in the face of threat. Journal of Experimental Social Psychology, 46, 1061-1066.

Bitte beachten Sie, dass diese Studie nicht in unserem Labor durchgeführt wurde. Wenn Sie an einer Studie in unserem Labor teilnehmen möchten, finden Sie dazu hier weitere Informationen.

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