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Ganz oben in einer Hierarchie zu stehen, also Macht zu haben, bedeutet, Entscheidungen fällen, die andere Menschen betreffen und dabei als einziger die volle Verantwortung für die Konsequenzen dieser Entscheidungen tragen zu müssen. Die Volksweisheit „An der Spitze lebt es sich einsam“ macht daher intuitiv Sinn. Ist es aber wirklich war, dass Menschen, die Macht besitzen, einsamer sind als solche, die in der Hierarchie weiter unten stehen?
Eine Reihe von Studien ist dieser Frage nachgegangen und ist zu dem Schluss gekommen, dass es nicht einsam zu sein scheint an der Spitze. In einer ersten Studie wurden über 300 Menschen rund um die Welt befragt, wie einsam sie sich fühlen. Dazu wurden Fragen wie „Mir fehlt es an Freunden“ verwendet. Zudem haben die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Studie angegeben, wie viel Macht sie in ihren Beziehungen zu anderen Menschen haben. Die Ergebnisse zeigten einen negativen Zusammenhang zwischen Macht und Einsamkeit. Menschen die sich eher mächtig fühlen, geben an, kaum einsam zu sein.
In einem zweiten Schritt haben die Forscher Experimente durchgeführt, um die Wirkungsrichtung dieses Zusammenhangs zu testen. Ihre Absicht war es, zu zeigen, dass ein Erleben von Macht Gefühle von Einsamkeit reduzieren kann. Zum Beispiel haben sie dazu die Teilnehmenden gebeten, sich an Situationen in ihrem Leben zu erinnern, in denen sie entweder viel oder wenig Macht besessen haben. In anderen Studien wurde einem Teil der Versuchspersonen in einem Spiel eine mächtige Position zugeteilt, in der sie Entscheidungsmacht über Ressourcen hatten. Einem anderen Teil der Versuchspersonen kam die Rolle von Untergebenen zu, über die von ihren Vorgesetzten entschieden wurde. Im Anschluss wurden beide Gruppen dazu befragt, wie einsam sie sich fühlen. Konsistent über alle Studien hinweg zeigten die Ergebnisse, dass sich Personen, die in eine mächtige Position gebracht wurden oder die sich an das Gefühl erinnerten, mächtig zu sein, im Anschluss weniger einsam fühlten.
Wie lassen sich diese Befunde erklären? Die Forscher nehmen an, dass die positiven psychologischen Konsequenzen von Macht das Bedürfnis nach sozialer Nähe zu anderen Menschen reduzieren. So konnten sie in zwei Experimenten zeigen, dass eine mächtige Position nicht nur die erlebte Einsamkeit reduziert sondern gleichzeitig auch dazu führt, dass Menschen über ein geringeres Bedürfnis nach sozialem Anschluss berichten. Allein zu sein und sich einsam fühlen sind demnach zwei unterschiedliche Dinge. Einerseits kann man sich einsam fühlen, selbst wenn man eigentlich hunderte von Freunden hat. Anderseits kann auch ein einziger guter Freund ausreichen, dass man sich sozial eingebunden fühlt. Entscheidend ist dazu das eigene Bedürfnis nach sozialem Anschluss. Wenn also Macht dazu führt, dass man weniger das Bedürfnis nach sozialem Kontakt hat, führt dies zu dem paradoxen Effekt, dass sich mächtige Menschen weniger einsam fühlen als Personen, die kaum Macht besitzen und vielleicht objektiv gesehen mehr Freunde haben.
Literaturangaben:
Waytz, A., Chou, E. Y., Magee, J. C., & Galinsky, A. D. (in press). Not so lonely at the top: The relationship between power and loneliness. Organizational Behavior and Human Decision Processes.
Bitte beachten Sie, dass diese Studie nicht in unserem Labor durchgeführt wurde. Wenn Sie an einer Studie in unserem Labor teilnehmen möchten, finden Sie dazu hier weitere Informationen.
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