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Viele Eltern loben ihre Kinder, wenn diese etwas richtig gemacht oder etwas erreicht haben. Manche Eltern neigen dazu, ihre Kinder mit übertriebenem Lob zu überschütten. Dann heisst es nicht „Das hast du gut gemacht!“, sondern „Das hast du so wunderbar gemacht!“. Und nicht „Das ist aber ein schönes Bild, was du da gemalt hast!“, sondern „Das ist das schönste Bild, das ich jemals gesehen habe!“. Das übertriebene Loben geschieht in guter Absicht, denn viele Eltern (und auch Lehrer) sind überzeugt, dass man nie genug loben kann und sie werden in ihrer Meinung auch durch viele Erziehungsratgeber und –Erziehungsbroschüren unterstützt. Dort heisst es häufig, dass Lob besonders jenen Kindern gut tut, die ein niedriges Selbstwertgefühl haben. Damit sind Kinder gemeint, die häufig an ihrer Leistungsfähigkeit zweifeln und sich selten zutrauen, etwas Schwieriges zu tun. Eigene Beobachtungen im Alltag zeigen, dass Erwachsene vor allem bei solchen Kindern mit Lob nicht geizen.
Aber ist übertriebenes Lob wirklich angemessen, um das Kind in seinem Selbstwertgefühl zu bestärken? Bislang hat sich keine Studie mit diesem Thema beschäftigt, aber es ist schon lange bekannt, dass Lob nicht gleich Lob ist. So zeigte sich, dass ein Fähigkeitslob („Du bist so clever!“) im Gegensatz zum Anstrengungslob („Da hast du dir wirklich Mühe gegeben!“) dazu führt, dass die Kinder herausfordernde Aufgaben in der Zukunft eher vermeiden. Als Erklärung wird angegeben, dass Fähigkeiten im Gegensatz zur Anstrengung nicht veränderlich sind und dass Kinder so vermeiden wollen, als „unfähig“ dazustehen. Auch zeigte sich, dass ein Vergleichslob („Das hast du viel besser als die anderen Kinder gemacht!“) im Gegensatz zum Meisterungslob („Jetzt hast du den Dreh raus!“) die intrinsische Motivation der Kinder senkt, vermutlich, weil es den Kindern suggeriert, es wäre wichtiger besser zu sein als andere als etwas tatsächlich zu können.
In Anlehnung an diese früheren Studien haben Eddie Brummelmann (Universität Utrecht) und Kollegen untersucht, ob sich solche negativen Effekte des Lobens auch für übertriebenes Lob zeigen würde. Ihre Vermutung war, dass übertriebenes Lob den Kindern gleichzeitig einen übertrieben hohen Leistungsstandard suggerieren würde und dass Kinder deswegen im Anschluss herausfordernde Aufgaben vermeiden würden, weil sie sich nicht zutrauen würden, eine weitere Aufgabe nicht nur „gut“ sondern „unglaublich gut“ zu meistern. Das sollte insbesondere für Kinder gelten, die über ein niedriges Selbstwertgefühl verfügen, sich also sowieso schon wenig zutrauen. Wenn das stimmt, dann wäre übertriebenes Lob gerade für die Kinder schädlich, die es vermutlich am häufigsten zu hören bekommen.
Um ihre Annahmen zu testen, haben die Forscher drei Studien durchgeführt. In den ersten beiden Studien ging es darum, zu testen, ob Kinder mit niedrigem Selbstwertgefühl tatsächlich häufiger übertrieben gelobt werden. Die erste Studie wurde im Labor durchgeführt. Erwachsene bekamen dazu Beschreibungen von Kindern vorgelegt, die entweder sehr selbstbewusst oder aber wenig selbstbewusst dargestellt wurden. Dann sollten sie entscheiden, wie sie dieses Kind loben würden. Die zweite Studie war ähnlich aufgebaut, nur dass sie nicht im Labor sondern unter realistischen Bedingungen stattfand. Zunächst wurde das Selbstwertgefühl der Kinder gemessen. Dann sollten diese einige Mathematikaufgaben in Begleitung eines Elternteils lösen und es wurde beobachtet, wie dieser Elternteil das Kind lobte. In beiden Studien zeigt sich, dass die Kinder in einem von vier Fällen übertrieben gelobt wurden und dass wenig selbstbewusste Kinder signifikant häufiger übertrieben gelobt wurden. In der ersten Studie wurden zum Beispiel nur 18% der (fiktiven) selbstbewussten Kinder übertrieben gelobt, aber ganze 33% der (fiktiven) wenig selbstbewussten Kinder.
In einer dritten Studie wollte die Autoren zeigen, welche Auswirkung übertriebenes Lob auf zukünftige Aufgabenauswahl der Kinder hat. Dazu haben sie wieder das Selbstwertgefühl der Kinder gemessen, sie dann ein Bild malen und von einem angeblichen „bekannten Maler“ bewerten lassen. Dieser „bekannte Maler“ lobte die Kinder entweder gar nicht, angemessen, oder aber übertrieben. Anschliessend sollten die Kinder auswählen, welches Bild sie als nächsten malen wollten. Sie konnten dabei zwischen einfachen, mittelschwierigen und schwierigen Bildern wählen. Die Ergebnisse dieser Aufgabenauswahl waren beeindruckend und unterstützten voll die Annahmen der Forscher. Wenn die Kinder ein niedriges Selbstwertgefühl hatten, so wählten sie ohne Lob und auch mit angemessenem Lob die schwierigsten Bilder. Sie trauten sich also trotz ihres niedrigen Selbstwertgefühls etwas Schwieriges zu. Wenn aber Kinder mit niedrigem Selbstwertgefühl übertrieben gelobt wurden, dann wählten sie die einfachsten Bilder. Ihr Zutrauen ist also völlig verloren gegangen. Für Kinder mit einem hohen Selbstwertgefühl spielte die Art des Lobs übrigens keine Rolle für die Auswahl des nächsten Bildes.
Diese Forschung zeigt sehr eindrücklich, dass Loben auch Schattenseiten haben kann und bei weitem nicht das „Wundermittel“ ist, als das es häufig dargestellt wird. Wir müssen als Eltern, als Lehrer und überhaupt als Erwachsene sehr vorsichtig mit dem Loben umgehen. Weil es gerade bei den wenig selbstbewussten Kindern eine Spirale von übertriebenen Ansprüchen und anschliessendem Rückzugsverhalten in Gang setzt, kann es den Kindern weiter schaden. Wenn wir das beherzigen und Kinder mit Bedacht loben, dann können wir ihnen etwas unglaublich Grossartiges antun – und das ist dieses Mal so gemeint, wie es geschrieben ist!
Quelle:
Brummelman, E., Thomaes, S., Orobio de Castro, B., Overbeck, G., & Bushman, B. J. (in Druck). “That’s not just beautiful – that’s incredibly beautiful!”: The adverse impact of inflated praise on children with low self-esteem. Psychological Science.
Bitte beachten Sie, dass diese Studie nicht in unserem Labor durchgeführt wurde. Wenn Sie an einer Studie in unserem Labor teilnehmen möchten, finden Sie dazu hier weitere Informationen.
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