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Sich für die beste Handlungsmöglichkeit in einer bestimmten Situation zu entscheiden, erfordert das Abschätzen von möglichen Kosten und Nutzen dieser Handlungsoptionen. Solche Entscheidungen sind wir ständig gezwungen zu treffen, auch wenn sie mit Unsicherheit behaftet sind. Insbesondere im sozialen Kontext könnte die Unsicherheit dadurch vergrössert sein, dass Menschen ihre Absichten oft nicht direkt zeigen. Beispielsweise ist es nicht immer einfach herauszufinden, wem man vertrauen kann und auch ob man weiter trauen kann, wenn sich die Umstände verändern. Menschen unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Toleranz gegenüber Unsicherheit. Insbesondere ängstliche Menschen könnten grössere Schwierigkeiten haben in von Unsicherheit behafteten sozialen Kontexten ihre Entscheidungen flexibel an das Verhalten des Gegenübers anzupassen. Um diese Vermutung zu untersuchen, haben Forschende der Brown Universität in Providence zwei Experimente mit etwa 350 Studienteilnehmenden durchgeführt, von denen knapp ein Drittel Symptome einer generalisierten Angststörung zeigte (d.h. sie zeigten allgemeine, anhaltende Ängste). Im sogenannten «Vertrauensspiel» wurden die Studienteilnehmenden in insgesamt 28 Durchgängen jeweils zufällig einem von drei weiteren Spielenden zugeteilt. Dies sollte einen sozialen Kontext simulieren. Was die Teilnehmenden hierbei nicht wussten war, dass die vermeintlichen anderen Spielenden einem ausbalancierten mathematischen Algorithmus folgten: Sie verhielten sich zu Beginn des Experiments jeweils entweder kooperativ, neutral oder ausbeuterisch. Alle der vermeintlich Spielenden änderten ihr Verhalten im Verlauf des Spiels, sodass sie am Ende insgesamt eine gleichwertige Kooperationsrate zeigten. Pro Spieldurchgang hatten die Studienteilnehmenden einen Dollar zu Verfügung, von dem sie mindestens 10 Cent einsetzen mussten. Ihnen wurde gesagt, dass ihr Einsatz vervierfacht werden würde und dann dem/der anderen Spielenden präsentiert würde. Diese/r wiederum könnte dann entscheiden, wieviel er/sie davon für sich behalten würde. Das Ergebnis dieser vermeintlichen Wahl wurde den Studienteilnehmenden jeweils am Ende eines Durchgangs präsentiert. Das sogenannte «Automatenspiel» hatte den gleichen Aufbau und unterschied sich lediglich darin, dass den Studienteilnehmenden gesagt wurde, dass sie gegen Automaten spielten, was einen nicht-sozialen Kontext simulieren sollte. Die Analyse zeigte, dass gesunde Studienteilnehmende im Durchschnitt deutlich mehr Geld im «Automatenspiel» investierten als im «Vertrauensspiel». Weiterhin war ihr Investment abhängig davon, wie sich die anderen «vermeintlichen Spielenden» bzw. «Automaten» im ersten Zug verhielten. Wenn diese im ersten Zug viel Geld zurückgaben, dann wurde durch das Spiel hindurch in Durchgängen mit diesen weiter relativ mehr Geld investiert. Allerdings war dieser Effekt stärker im «Vertrauensspiel» als im «Automatenspiel», was bedeuten könnte, dass Menschen im sozialen Bereich anfälliger sind für positive erste Eindrücke. Für Studienteilnehmende mit Angststörungen zeigte die Analyse ein ähnliches Muster. Insgesamt allerdings gewannen Studienteilnehmende mit Angststörungen deutlich weniger Geld in beiden Spielen im Vergleich zu der Gruppe der gesunden Teilnehmenden. Um diesen Befund zu erklären, wurde das Investment über die einzelnen Durchgänge in den beiden Experimenten näher untersucht. Die Analyse ergab hierbei, dass Studienteilnehmende mit Angststörungen im Vergleich zu der gesunden Kontrollgruppe im «Vertrauensspiel» insgesamt deutlich mehr Geld in den Durchgängen investierten, wenn sich anfänglich kooperativ oder neutral verhaltende Spielende nun ausbeuterisch verhielten. Weiterhin benötigten sie auch mehr Durchgänge, um ihr Verhalten dem sich verändernden Verhalten der anderen Spielenden anzupassen, also bei einem wiederholt ausbeuterisch handelnden Spielenden das Investment zu reduzieren. Im «Automatenspiel» zeigte sich ein ähnliches Muster, wenn auch schwächer ausgeprägt. Diese Ergebnisse zeigen an, dass gesunde Menschen spezifisch in sozialen Kontexten erfolgreich ausbeuterisches Verhalten des Gegenübers erkennen und ihre Entscheidung zu kooperieren optimal an dieses anpassen. Zusammenfassend schlussfolgern die Forschenden, dass Ängstlichkeit optimale Entscheidungsfindung in sozialen Situationen zu behindern scheint. Alternativ könnten sich die Befunde dieser Studie aber auch dadurch erklären lassen, dass ängstliche Menschen aus strategischen Gründen Verluste in Kauf nehmen, um Vertrauen und Kooperation in ausbeuterischen sozialen Partnern zu induzieren. Zukünftige Forschung sollte den Einfluss von Unsicherheit auf Entscheidungsfindung näher untersuchen.
Lamba, A., Frank, M. J., & FeldmanHall, O. (2020). Anxiety Impedes Adaptive Social Learning Under Uncertainty. Psychological Science, 31(5), 592–603. https://doi.org/10.1177/0956797620910993
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