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Warum fühlt es sich so an, als hätte unsere Kindheit eine halbe Ewigkeit gedauert, doch die letzten Jahre seien wie im Flug vergangen? Warum können sich die langweiligen fünf Stunden an Bord eines Fluges ebenso wie eine Ewigkeit anfühlen, der anschliessende Urlaub wiederum ist vorüber, bevor wir wirklich angekommen sind? Tatsächlich ist die menschliche Zeitwahrnehmung und Zeiteinschätzung oft weit vom Takt einer Uhr entfernt. Doch welche Faktoren beeinflussen das subjektive Zeitgefühl?
Eine gängige These ist, dass mit zunehmendem Alter die subjektive Zeit schneller vergeht. Marc Wittmann und Sandra Lehnhoff, Psychologen von der Universität München, haben dies mit Versuchspersonen zwischen 14 und 94 Jahren untersucht. Dabei ergab sich folgendes Bild: ältere Erwachsene hatten im Durchschnitt tatsächlich eher das Gefühl, dass die letzten zehn Jahre schneller vergangen seien und Zeit nun insgesamt schneller vergeht, als jüngere Erwachsene. Diese Unterschiede zwischen den Altersgruppen waren jedoch recht klein. In der Einschätzung der prospektiven (also der zukünftigen) Zeit wurden wiederum keine Altersunterschiede gefunden.
Das Lebensalter scheint also nur einen kleinen Einfluss auf die Zeitwahrnehmung zu haben. Welche Faktoren könnten also darüber hinaus eine Rolle spielen? Denken wir zurück an unseren Flug in den Urlaub. An Bord eines Flugzeugs sind unsere Möglichkeiten zur Ablenkung sehr eingeschränkt und wir neigen dazu, häufiger auf die Uhr zu sehen. Unsere Aufmerksamkeit liegt also direkt auf der Zeit, welche dadurch langsamer zu vergehen scheint.
Im längeren Rückblick wiederum kann sich diese Wahrnehmung erneut ändern: in der retrospektiven Wahrnehmung bleibt der Urlaub mit hoher Wahrscheinlichkeit als länger in Erinnerung als die anschliessende Arbeitswoche, weil in der Urlaubszeit vergleichsweise viele neue Erinnerungen und Eindrücke entstanden sind.
Da wir mit zunehmendem Alter seltener neuen Situationen ausgesetzt sind, sind Altersunterschiede in der Zeitwahrnehmung möglicherweise sogar hauptsächlich durch abnehmende Fülle an Erlebnissen bedingt. Um diese Annahme zu bestätigen, ist allerdings weitere Forschung notwendig.
Unterm Strich kann zwar niemand die Uhren zurückdrehen, doch wir können die Zeit in unserer Wahrnehmung etwas ausdehnen, in dem wir sie sinnvoll zu füllen verstehen.
Wittmann, M., & Lehnhoff, S. (2005). Age effects in perception of time. Psychological Reports, 97(3), 921–935. https://doi.org/10.2466/pr0.97.3.921-935.
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