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Obwohl sie nicht im Gesetz stehen, befolgen wir sie ständig und manchmal unhinterfragt: Soziale Regeln
Wer kennt es nicht: Die Ampel ist rot, kein Auto ist in Sicht und schon sind wir unerlaubt über die Strasse gelaufen. Was jedoch, wenn neben uns ein fünfjähriges Kind steht? Unsere Gesellschaft baut darauf auf, dass sich Menschen an Regeln halten. Manche Regeln sind so bedeutend, dass sie in unser Gesetz aufgenommen und bei Verstoss bestraft werden. Andere Regeln sind nicht im Gesetz festgeschrieben, existieren aber trotzdem und wirken sich genauso auf unser Verhalten aus. Zum Beispiel die Regel, an einer roten Ampel stehen zu bleiben, wenn ein Kind in der Nähe ist. Ein Verstoss gegen diese Regel wird nicht durch das Gesetz bestraft (wenn, dann wird das Laufen über die rote Ampel bestraft, aber unabhängig davon, ob ein Kind in der Nähe ist). Warum aber halten sich Menschen an soziale Normen, also solche Regeln, die nicht im Gesetz verankert sind?
Forscherinnen und Forscher in der Psychologie beschäftigen sich schon lange mit dieser Frage. Ein Grund ist, dass auch der Verstoss gegen soziale Normen mit sozialen Konsequenzen „bestraft“ werden kann. Beispielsweise kann der Ausschluss aus einer Gruppe drohen, wenn wir uns nicht gemäss ihrer sozialen Normen verhalten. Menschen haben also Angst vor sozialen Konsequenzen und halten sich daher an soziale Normen. Soziale Konsequenzen möchte man auch aus dem Grund vermeiden, dass Menschen es anstreben, sozial akzeptiert und geschätzt zu sein. Dieses Ziel kann leichter erreicht werden, wenn man sich an Regeln hält, die für alle gelten. Eng damit verbunden ist das Bild, das andere von uns haben und das Bild, das wir selbst von uns haben, also unser Selbstbild. Den meisten Menschen ist es sehr wichtig, dass andere Menschen sie in gutem Licht sehen und dass sie von sich selbst den Eindruck haben, ‚gut‘ zu sein. Wenn wir uns an Regeln halten, dann wird das meistens als positiv aufgefasst: Haben andere ein gutes Bild von uns, so ist meist auch unser Selbstbild positiv. Ein dritter Grund ist, dass Menschen soziale Normen schon früh in der Kindheit verinnerlichen. Sie lernen, dass die Eltern Regeln aufstellen, zum Beispiel, dass man sich am Morgen und am Abend die Zähne putzt. Wenn wir ein Verhalten von klein auf erlernen, dann führen wir es unhinterfragt immer wieder aus, sprich: wir haben es verinnerlicht.
Ohne soziale Normen würde unsere Gesellschaft wohl nicht funktionieren. Oft sind uns unsere Normen gar nicht so bewusst. Achten Sie bei Ihrer nächsten Reise ins Ausland mal darauf, welche sozialen Normen es am Essentisch gibt. Und wie vorsichtig Sie werden, wenn Sie spüren, dass es eine soziale Norm gibt, sie Sie (noch) nicht kennen.
Gross, J., & Vostroknutov, A. (2022). Why do people follow social norms? Current Opinion in Psychology, 44, 1–6. https://doi.org/10.1016/j.copsyc.2021.08.016
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