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Psychologisches Institut Entwicklungspsychologie: Erwachsenenalter

Erinnere mein nicht!

von Lea Bächlin

Der peinliche Sturz beim Eislaufen, die Absage nach dem Bewerbungsgespräch, oder das schiefgelaufene Date: Solche Erlebnisse möchten wir am liebsten schnell wieder vergessen. Auch wenn Erinnerungen meist nützlich sind, so können sie manchmal doch sehr belastend sein. Insbesondere Erinnerungen an traumatische Ereignisse können Leiden und psychische Erkrankungen verursachen (z.B. eine posttraumatische Belastungsstörung). Aber ist es überhaupt möglich, Erinnerungen absichtlich zu vergessen? Und falls ja, was passiert dabei im Gehirn?
Verschiedene psychologische und neurobiologische Studien zeigen, dass Erinnerungen tatsächlich unterdrückt werden können. Bei diesem Prozess wird der präfrontale Kortex stärker aktiviert: Von dieser Region im vorderen Teil des Gehirns ist oft die Rede, wenn es um die Hemmung von Prozessen geht. Gleichzeitig ist der Hippocampus (ein wichtiges Gedächtniszentrum im medialen Temporallappen) weniger stark aktiviert. Man geht davon aus, dass der Hippocampus dabei hilft, dieselben Aktivitätsmuster wie bei der ursprünglichen Einspeicherung des Erlebnisses wiederherzustellen. Aber bei der aktiven Unterdrückung von Erinnerungen scheint der Hippocampus beim Abspielen dieser Erinnerungen vom präfrontalen Kortex gehemmt zu werden. Davon ist auch ein Gehirnareal betroffen, das direkt neben dem Hippocampus liegt: der parahippocampale Kortex. Er wird vor allem mit der Erinnerung an Szenen in Verbindung gebracht. 
Bisher wurde intensiv beforscht, was während der Unterdrückung von Erinnerungen passiert. Aber was geschieht danach? Können Erinnerungen dann längerfristig vergessen werden? 
Mit diesen Fragen beschäftigt sich eine 2022 veröffentlichte Arbeit von Ann-Kristin Meyer und Roland Benoit. Sie führten am Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig eine Studie durch, bei der die Gehirnaktivität der Versuchspersonen nicht nur während, sondern auch später, nach der aktiven Unterdrückung von unangenehmen Erinnerungen, gemessen wurde. Dazu wurden den Versuchspersonen Bilder gezeigt, die jeweils ein bestimmtes Objekt enthielten. Dann wurde ihre Gehirnaktivität während der Präsentation dieser Objekte ohne den Rest des Bildes gemessen. Bei gewissen Objekten wurden die Versuchspersonen dazu aufgefordert, das zugehörige Bild zu erinnern, und bei anderen, die Erinnerung an das Bild zu unterdrücken. Nach diesem Teil gaben die Versuchspersonen nochmals an, wie gut sie sich an die Bilder erinnern. Die Ergebnisse legen nahe, dass die Repräsentation einer Erinnerung im Gehirn durch ihre Unterdrückung nachhaltig geschwächt wird. Gleichzeitig wird die Erinnerung nach der Unterdrückung als weniger lebhaft empfunden. An diesem Prozess sind vor allem präfrontale und (para)hippocampale Strukturen beteiligt.
Durch die Unterdrückung einer Erinnerung wird sowohl ihre Verfügbarkeit als auch ihre subjektive Qualität verringert. Erinnerungen können also nachhaltig aktiv unterdrückt werden! Allerdings ist nach wie vor umstritten, ob die aktive Unterdrückung tragischer Erinnerungen das psychische Wohlbefinden verbessert. 

Literatur

Meyer, A. K., & Benoit, R. G. (2022). Suppression weakens unwanted memories via a sustained reduction of neural reactivation. eLife, 11, e71309. https://doi.org/10.7554/eLife.71309

 

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