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Psychologisches Institut Entwicklungspsychologie: Erwachsenenalter

Abendliche Versuchungen: Warum wir abends häufiger rückfällig werden

von Selina Caviezel

Das eigene Verhalten zu regulieren und zu kontrollieren ist keine einfache Aufgabe und kann eine echte Knacknuss sein: Trotz guter Vorsätze, fallen wir häufig in unsere alten, ungesunden Gewohnheiten zurück. Ein Überblicksartikel von Brett M. Millar (2017) erklärt, warum Selbstregulation zu verschiedenen Tageszeiten unterschiedlich schwierig ist.

Millar identifiziert sechs Faktoren, die dabei eine Rolle spielen:

  • Verfügbarkeit von Versuchungen: Versuchungen sind zu verschiedenen Tageszeiten unterschiedlich präsent. Tagsüber können wir leichter gesunde Lebensmittel im Supermarkt kaufen. Dies gestaltet sich abends schwieriger: Wenn wir um Mitternacht das Verlangen nach einem Snack verspüren, sind Fast-Food-Restaurants oft die einzige Option.
  • Verlangen von Versuchungen: Abends erreicht das Verlangen nach Versuchungen wie Zigaretten ihren Höhepunkt, insbesondere wenn der letzte Konsum schon eine Weile zurückliegt. Darum ist das Rückfallrisiko während eines Rauchstoppversuchs abends am höchsten.
  • Emotionen und kognitive Fähigkeiten: Positive Emotionen wie Freude stärken unsere Selbstregulation. Sie nehmen im Laufe des Tages zu und flachen zum Abend hin wieder ab. Dahingegen sind negative Emotionen wie Angst oder Wut relativ stabil und überwiegen daher abends unsere positiven Emotionen. Kognitive Fähigkeiten wie Aufmerksamkeit oder Konzentration, die benötigt werden um unsere Emotionen zu regulieren, fluktuieren ebenfalls über den Tag hinweg. Das bedeutet: Je später es wird, desto weniger gut können wir uns konzentrieren, desto schlechter ist unsere Stimmung und desto schwieriger wird es, Versuchungen zu widerstehen. 

Dass unser emotionaler Zustand und kognitiven Fähigkeiten abends schlechter sind hat mindestens drei Gründe, welche die weiteren Faktoren, die Millar im Überblicksartikel vorstellt, ausmachen:

  • Müdigkeit: Wenn wir schlecht schlafen, sind wir schlechter gelaunt und neigen zu ungesunden Verhaltensweisen. Dieser Effekt kann sich über mehrere Tage aufbauen, sodass am Wochenende das "Fass überläuft" - also genau dann, wenn wir bei sozialen Anlässen wie Festen den meisten Versuchungen begegnen.
  • Anforderungen des Tages: Wenn wir abends mental und körperlich erschöpft sind, nachdem wir den ganzen Tag mit verschiedenen Aufgaben beschäftigt waren, wird es schwieriger sich selbst zu regulieren.
  • Konsum von Alkohol oder anderen Drogen: Substanzkonsum kann unsere Stimmung und kognitiven Fähigkeiten beeinträchtigen, was das Verlangen nach Versuchungen wiederum verstärken kann. Hier können ebenfalls soziale Einflüsse, wie Gruppendruck, eine Rolle spielen.

Es ist zu beachten, dass die genannten Faktoren bei verschiedenen Personen zu unterschiedlichen Tiefpunkten der Selbstregulation führen. Millar betont hier den sogenannten Chronotypen eines Menschen. So zeigt sich, dass es für Morgenmenschen ab dem am frühen Abend schwieriger wird, während Nachteulen später abends und bis zum nächsten Morgen am schlechtesten darin sind, sich selbst zu regulieren. Auch befinden sich Nachteulen häufiger in Situationen welche mehr Versuchungen darbieten, da sie häufiger ausgehen und nachts wach sind.

Zusammengefasst heisst das, dass die Selbstregulation abends am schwierigsten ist. Dies kann wichtige Implikationen für Programme zur Gesundheitsförderung haben. Zum Beispiel kann es während eines Rauchstoppversuchs wirksamer sein, eine Achtsamkeitsübung zur Stärkung der Selbstregulation abends oder nachmittags zu machen als morgens.

Literatur

Millar, B. M. (2017). Clocking self-regulation: Why time of day matters for health psychology. Health Psychology Review11(4), 345-357. https://doi.org/10.1080/17437199.2017.1316673

 

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