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Psychologisches Institut Entwicklungspsychologie: Erwachsenenalter

Ausgrenzung am Arbeitsplatz erhöht emotionale Erschöpfung in Arbeit und Familie

von Victoria Schüttengruber

Ausgrenzung am Arbeitsplatz beschreibt das subjektive Erleben, von anderen Personen am Arbeitsplatz ignoriert oder ausgeschlossen zu werden. «Ausgrenzung am Arbeitsplatz» ist ein unscharfer Ausdruck, da das Erleben von Ausgrenzung darauf basiert, dass die ausgegrenzte Person Rückschlüsse auf nicht beobachtbare Absichten der Täter/innen zieht. Ebenso wie beobachtbare Formen der Gewalt am Arbeitsplatz (z.B. Belästigung) senkt das Erleben von Ausgrenzung am Arbeitsplatz die Arbeitszufriedenheit und Produktivität. Bereits wenige Erlebnisse von Ausgrenzung reduzieren das Wohlbefinden und vermitteln der ausgegrenzten Person das Gefühl, wertlos zu sein. Dies erhöht emotionale Erschöpfung, die wiederum Arbeitszufriedenheit und Produktivität reduziert. Bisherige Forschungsergebnisse zu den Folgen erlebter Ausgrenzung am Arbeitsplatz beschränken sich auf den Arbeitskontext (z.B. arbeitsbezogene emotionale Erschöpfung). Wie Ausgrenzung am Arbeitsplatz auch das Privatleben beeinflusst, wurde bisher noch nicht untersucht. Anzunehmen ist, dass wir die Erfahrungen am Arbeitsplatz «nach Hause mitnehmen» und diese somit auch unser Privatleben beeinflussen. Demzufolge könnten sich die negativen Folgen von Ausgrenzung am Arbeitsplatz auch in erhöhter familiärer Erschöpfung zeigen, sowohl bei der ausgegrenzten Person als auch bei anderen Familienmitgliedern.

Darauf basierend stellten sich amerikanische Forscher/innen folgende Fragen: Wie hängt Ausgrenzung am Arbeitsplatz mit emotionaler Erschöpfung bei ausgegrenzten Personen und ihren Ehepartnern/innen zusammen? Welche Rolle spielen dabei Stimmung und psychologischer Stress der ausgegrenzten Person? Die Annahme war, dass Ausgrenzung am Arbeitsplatz positive Stimmung reduziert und psychologischen Stress erhöht, was wiederum die emotionale Erschöpfung in der Arbeit erhöht. Beides könnte auch dazu führen, dass die ausgegrenzte Person den Anforderungen in der Familie weniger gerecht werden kann, was wiederum die emotionale Erschöpfung in der Familie erhöhen könnte. Zudem könnte die ausgegrenzte Person Verhaltensweisen zeigen, die das Familienleben untergraben (z.B. weniger positiver Austausch mit dem/der Partner/in) und so zur familienbezogenen emotionalen Erschöpfung der/des Partners/in beitragen.

Die Forscher/innen führten eine Längsschnittuntersuchung mit 350 verheirateten und berufstätigen Paaren in den USA durch. Die Teilnehmenden waren Personen, die Ausgrenzung am Arbeitsplatz erlebten, und deren Ehepartner/innen. Zu drei Erhebungszeitpunkten im Abstand von sechs Wochen füllten alle Teilnehmenden einen Online-Fragebogen aus. Die sich am Arbeitsplatz ausgegrenzt fühlende Person beurteilte Fragen zur Ausgrenzung am Arbeitsplatz, Stimmung, psychologischem Stress, arbeits- und familienbezogener emotionaler Erschöpfung. Der/die Ehepartner/in beantwortete Fragen zur eigenen familienbezogenen emotionalen Erschöpfung und zu Verhaltensweisen des/der Partners/in, die das Familienleben untergraben.

Die Ergebnisse deuten auf negative Auswirkungen erlebter Ausgrenzung auf das Arbeits- und Privatleben hin: Das Erleben von Ausgrenzung am Arbeitsplatz reduzierte die positive Stimmung und erhöhte psychologischen Stress. Die reduzierte positive Stimmung war mit emotionaler Erschöpfung am Arbeitsplatz assoziiert, der erhöhte psychologische Stress mit emotionaler Erschöpfung in der Familie. Psychologischer Stress und Verhaltensweisen, die das Familienleben untergraben, trugen zur emotionalen Erschöpfung des/der Ehepartners/in bei. Zusammenfassend scheint Ausgrenzung am Arbeitsplatz somit langfristige negative Folgen auf das Arbeits- und Familienleben zu haben.

Welche praktischen Konsequenzen haben diese Ergebnisse? Führungskräfte sollten ein Betriebsklima schaffen, das das Zugehörigkeitsgefühl der Mitarbeitenden fördert. Begrüssung und Wertschätzung sollten die Norm sein. Führungskräfte nehmen dabei eine Vorbildfunktion ein und dürfen Ausgrenzung am Arbeitsplatz nicht tolerieren. Mitarbeitende sollten Schulungen zur Bewältigung von Stresssituationen und respektvollem Umgang mit schwierigen Kolleg/innen erhalten, sowie auch in ihrem Selbstwert (der durch Ausgrenzung geschwächt wird) gestärkt werden.

Das Erleben von Ausgrenzung am Arbeitsplatz erhöht emotionale Erschöpfung im Arbeits- und Privatleben und tritt häufiger als angenommen auf. Wenn Sie selbst Ausgrenzung am Arbeitsplatz erleben, empfehlen wir Ihnen, unbedingt das Gespräch zu suchen und gegebenenfalls auch professionelle Beratung in Anspruch zu nehmen (z.B. https://www.psychologie.ch/en/node/57).

 

 

Literatur

Thompson, M. J., Carlson, D. S., Kacmar, K. M., & Vogel, R. M. (2020). The cost of being ignored: Emotional exhaustion in the work and family domains. Journal of Applied Psychology, 105, 186–195.
https://doi.org/10.1037/apl0000433

 

 

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