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Psychologisches Institut Neuropsychologie

Synästhesie

Synästhesie-Forschung am Lehrstuhl für Neuropsychologie

Unter Synästhesie werden seltene Wahrnehmungsphänomene zusammengefasst, die man Besten als „Mitempfindung“ beschreiben kann (siehe auch zur weiteren Erläuterung und Vertiefung den Wikipedia-Eintrag http://de.wikipedia.org/wiki/Synästhesie). Bislang werden synästhetische Wahrnehmungen durch folgende Eigenschaften eindeutig  definiert:

1.  Ein induzierende Reiz (inducing stimulus) löst eine nachfolgende Wahrnehmung (concurrent perception) aus. Bei einem Graphem-Farb-Synästheten löste ein ganz bestimmter Buchstabe (z.B. en /b/) eine ganze bestimmte Farbwahrnehmung (z.B. /rot/) aus.

2.  Diese Wahrnehmungskette ist unidirektional; d.h. der induzierende Stimulus löst eine ganz bestimmte Wahrnehmung aus, ohne dass die ausgelöste Wahrnehmung in der Lage wäre, gleichfalls die Wahrnehmung des induzierenden Reizes auszulösen. Im Fall eines Graphem-Farb-Synästheten, der beim Sehen des Buchstabens /b/ die Farbe /rot/ sähe, würde die Wahrnehmung des Buchstabens /b/ nicht durch die Wahrnehmung der Farbe /rot/ ausgelöst. Die synästhetische Wahrnehmung ist nicht bidirektional.

3.  Die synästhetische Wahrnehmung ist immer spontan, automatisch und nicht unterdrückbar.

Die Synästhesie ist eine spezielle aber Variante der menschlichen Wahrnehmung und nicht zwangsläufig Ausdruck einer psychischen oder neurologischen Krankheit. Sie ist auch nicht Ausdruck eines akuten Drogenmissbrauchs. Gleichfalls existiert auch kein Beleg dafür, dass Synästhesien durch exzessiven Drogenmissbrauch ausgelöst werden kann (siehe auch das Buch von Martin Suter. Der Teufel aus Mailand). Die meisten dieser Fälle kann man durch Assoziationen erklären, die auch bei jedem normalem Menschen auftreten können.

Folgende Synästhesien sind bislang beschrieben worden:

Drei weitere seltene Sonderformen wurden in den letzten 4 Jahren berichtet:

•           Tone-Intervall-Geschmackssynästhesie (Beeli, Esslen, & Jancke, 2005).

•           Visuelle Bewegungswahrnehmung-Ton-Synästhesie (Saenz & Koch, 2008).

•           Zahlenformen-Synästhesie (Tang, Ward, & Butterworth, 2008).

Interessant sind allerdings neuere Befunde, wonach bereits bestehende synästhetische Empfindung durch Erfahrung modifiziert werden können (Ward, 2007) und wonach synästhetische Empfindungen genutzt werden können, um andere psychische Fähigkeiten zu verbessern (Ward & Mattingley, 2006). Die erfahrungsbedingte Modifikation von Synästhesien konnte kürzlich von der Synästhesie-Arbeitsgruppe des Lehrstuhls für Neuropsychologie der Universität Zürich (Gian Beeli, Michaela Esslen und Lutz Jäncke) belegt werden. Der fördernde Einfluss der Synästhesie auf die Gedächtnisleistungen sind von einer Londoner Arbeitsgruppe berichtet worden .

Due Ursachen der Synästhesie sind bislang noch nicht bekannt. Diskutiert wird ein genetischer Einfluss über das X-Chromosom (Ward & Simner, 2005). Neuroanatomisch wird derzeit eine besonders starke Kopplung zwischen den Hirngebieten diskutiert, die an der Synästhesie-Wahrnehmung beteiligt sind (Rouw & Scholte, 2007; Hanggi, Beeli, Oechslin, & Jancke, 2008; Beeli, Esslen, & Jancke, 2008). Neuere anatomischen Studien am Lehrstuhl für Neuropsychologie der Universität bestätigen diese anatomische Hyperbinding-Hypothese allerdings nicht (Jäncke et al. zur Publikation eingereicht).

Eine exzellente literarische Verarbeitung des Synästhesie-Themas findet man in dem Roman von Ralf Isau (Die Dunklen).

Links

Wikipedia - Synästhesie

Youtube - Film im Discovery Channel

Quarks und Co - Wissenschaftssendung

Homepage von Elisabeth Sulser

Literatur

Beeli, G., Esslen, M., & Jancke, L. (2005). Synaesthesia: when coloured sounds taste sweet. Nature, 434(7029), 38.

Beeli, G., Esslen, M., & Jancke, L. (2008). Time course of neural activity correlated with colored-hearing synesthesia. Cereb Cortex, 18(2), 379-385.

Hanggi, J., Beeli, G., Oechslin, M., & Jancke, L. (2008). The multiple synaesthete E.S. - Neuroanatomical basis of interval-taste and tone-colour synaesthesia. Neuroimage.

Rouw, R. & Scholte, H. S. (2007). Increased structural connectivity in grapheme-color synesthesia. Nat Neurosci, 10(6), 792-797.

Saenz, M. & Koch, C. (2008). The sound of change: visually-induced auditory synesthesia. Curr Biol, 18(15)(15), R650-1.

Tang, J., Ward, J., & Butterworth, B. (2008). Number Forms in the Brain. J Cogn Neurosci.

Ward, J. (2007). Acquired auditory-tactile synesthesia. Ann Neurol, 62(5), 429-430.

Ward, J. & Mattingley, J. B. (2006). Synaesthesia: an overview of contemporary findings and controversies. Cortex, 42(2), 129-136.

Ward, J. & Simner, J. (2005). Is synaesthesia an X-linked dominant trait with lethality in males? Perception, 34(5), 611-623.

Weiterführende Informationen

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