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Projekt 10: Zivilcourage – Bedingungen und Interventionsansätze
Moderne Gesellschaften sind mit vielen Formen der Intoleranz, Diskriminierung und Gewalt konfrontiert. Dies nicht nur auf globaler Ebene, wie etwa in internationalen politischen Konflikten oder bewaffneten Auseinandersetzungen, sondern auch in Konflikten, wie sie in sozialen Gruppen vielfach zu beobachten sind: Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit, Homophobie, Gewalt in der Nachbarschaft, Jugendkriminalität, häusliche Gewalt, Vandalismus, Mobbing in der Schule und am Arbeitsplatz, Cybermobbing, um nur einige zu nennen (Brandstätter & Jonas, 2012). Sowohl Politiker wie auch Sozialwissenschafter sind sich einig, dass es auch in der Verantwortung jedes Bürgers bzw. jeder Bürgerin liegt, Intoleranz und Gewalt im näheren sozialen Umfeld zu bekämpfen und damit einzustehen für ein friedliches und tolerantes Zusammenleben. Dieses Phänomen wird im deutschsprachigen Raum als „Zivilcourage“ und international als „moral courage“ bezeichnet. In unserer Forschung zu Zivilcourage beschäftigen wir uns mit der Analyse von situations- und personenspezifischen Determinanten der Wahrnehmung von Situationen, die Zivilcourage erfordern. Darüber hinaus entwickeln wird das Zürcher Zivilcourage-Training weiter, das auf motivations- und sozialpsychologischen Theorien basiert und in verschiedensten Bildungskontexten zum Einsatz kommt. In unserer Forschung zu Zivilcourage gehen wir von der Annahme aus, dass Zivilcourage ganz wesentlich davon abhängt, wie relevante Situationen wahrgenommen und beurteilt werden. So sind die Wahrnehmung, dass eine Norm verletzt wurde, und die Einschätzung des Risikos bei einem Eingreifen zentrale Determinanten der Zivilcourage. Während viel Forschung zu den situationsbedingten Einflüssen vorliegt, erhielten bislang in der Person liegende Faktoren nur wenig Aufmerksamkeit. Dieses Projekt richtet deshalb sein Augenmerk auf personenspezifische Faktoren (z.B., Werte, Big Five-Persönlichkeitsdimensionen, Handlungs-/Lageorientierung, chronische Annäherungs-/Vermeidungsorientierung) der Wahrnehmung einer Situation die Zivilcourage erfordert.
In unserer Forschung vergleichen wir auch Stichproben aus verschiedenen Ländern, um die Generalisierbarkeit unserer Annahmen zu überprüfen. Unsere Befunde unterstreichen die Wichtigkeit von Persönlichkeitsmerkmalen bei der Wahrnehmung von Situationen, welche Zivilcourage erfordern, und erweitern die aktuell vorherrschende Sichtweise der Forschung zur Zivilcourage, welche sich auf situationsbedingte Einflüsse fokussiert hat.
Prof. Dr. Veronika Brandstätter
Stiftung Suzanne und Hans Biäsch zur Förderung der Angewandten Psychologie (PI: Veronika Brandstätter)
Brandstätter, V., Jonas, K. J., Koletzko, S. H., & Fischer, P. (2016). Self-regulatory processes in the appraisal of moral courage situations. Social Psychology, 47, 201–213. doi:10.1027/1864-9335/a000274
Backes, S., Brandstätter, V., & Brandstätter, H. (2014). Moral courage: Its personal and situational determinants. Politische Psychologie, 3, 5-23.
Brandstätter, V., & Jonas, K. J. (2012). Moral courage training programs as a means of overcoming societal crises. In K. J. Jonas & T. A. Morton (Eds.), Restoring civil societies: The psychology of intervention and engagement following crisis (pp. 265-283). Hoboken, NJ: Wiley.
Brandstätter, V. (2007). Kleine Schritte statt Heldentaten. Ein Training zur Förderung von Zivilcourage gegen Fremdenfeindlichkeit. In K. J. Jonas, M. Boos & V. Brandstätter (Hrsg.). Zivilcourage trainieren! Theorie und Praxis (pp. 245-302). Göttingen: Hogrefe.